Ich halte die Einleitung kurz, wir alle kennen die Umstände: Ukraine-Krieg, explodierende Gas- und Energiepreise, hohe Inflation, Crash an den Börsen, Zinswende, Materialengpässe. Die Liste ist lang. Vor einigen Tagen habe ich gelesen, dass sich gerade wirklich viele schwarze Schwäne im Teich der Immobilienwirtschaft angesiedelt haben. Und ein Blick in dieses Lexikon namens Wikipedia verrät: Obwohl Schwäne (also auch schwarze) normalerweise Einzelgänger sind, können sie, wenn die Population sehr groß wird, auch ganz verträglich in kleinen Kolonien brüten. Wieder was gelernt: Wir leben also alle in einem Teich inmitten einer schwarzen Schwanenkolonie. Und Schwäne können alt werden.
Zeit für einen neuen Wortschatz
Also lasst uns mal nicht um den heißen Brei herumreden. Die Krise ist da. Nun können wir versuchen, den Begriff so selten wie möglich zu verwenden. Krise ist halt irgendwie schlecht fürs Geschäft. Und in diversen Kommunikationsabteilungen wird derzeit an Synonymen für die Krise gesucht. Hier mal ein paar Beispiele: „abkühlendes Marktumfeld“, „herausfordernde Marktphase“, „Stagnation“, „Seitwärtsbewegung“, „Abkühlung“. Oder einfacher ausgedrückt: Krise. Die Phase des langjährigen Booms am Immobilienmarkt ist wohl erst einmal vorbei. Aber keine Sorge: Irgendwann geht’s weiter, es heißt schließlich Zyklus.
Keine Angst vor dem K-Wort
Wir müssen uns also erst einmal daran gewöhnen, das K-Wort wieder in unseren Sprachgebrauch aufzunehmen. Es gibt aus meiner Sicht auch keinen Grund, das nicht zu machen. Im Gegenteil: Dadurch ergeben sich diverse Chancen. Krisenerprobte Manager können sich in einem irgendwann wieder aufschwingenden Markt auf die Schultern klopfen. Viele Geschäftsmodelle können sich in Krisenzeiten erst recht entfalten. Und etwas Beruhigung tut dem Markt auch ganz gut. Harald Juhnke hat mal gesagt, dass er Silvester nicht mag, weil da auch die Amateure saufen. So ähnlich lässt sich der Immobilienmarkt der letzten Jahre beschreiben. Wir hatten mehrere Jahre Silvester und in der Zeit haben auch die Amateure investiert. Nun ist Neujahr. Zeit für Profis.
Krise kann auch geil sein
Dieser Satz hat Fynn Kliemann seine kommunikative Reputation gekostet. Vollkommen zurecht, zumindest wenn die Vorwürfe stimmen, dass er bewusst seine Schutzmasken falsch gelabelt und sich wohl auch sonst moralisch fragwürdig verhalten hat. Aber für uns kann dieser Satz dennoch stimmen. Um das zu unterstreichen, lohnt sich ein Blick auf das kommunikative Umfeld. Wir starten mal mit dem Wohnungssektor. Ich durfte kürzlich einem Interview mit dem Mieterbund im Deutschlandfunk lauschen. Der Geschäftsführer sprach davon, dass die Energiekrise für „Mieter und Vermieter“ eine echte Zerreißprobe ist. Siehe da: Es gibt wieder Einigkeit. Deutschland diskutiert derzeit nicht über steigende Kaltmieten, sondern explodierende Nebenkosten. Für uns ist das der ideale Zeitpunkt, um Betroffenheit nicht nur zu äußern, sondern aktiv Hilfe anzubieten und damit an unserem Image zu arbeiten. Natürlich kostet das Zeit und Kraft, aber es lohnt sich. Und wir kommen dadurch unserer gesellschaftlichen Aufgabe und Verantwortung nach. Viele Wohnungsunternehmen machen es schon vor, wir alle sollten folgen.
Auch im Gewerbeimmobiliensegment wird es zu Verwerfungen kommen. Die Flächengesuche werden erst einmal zurückgehen oder tun es schon, zumindest an vielen Standorten. Und der eine oder andere Investor wird seine Ankaufsentscheidung vermutlich auch vertagen. Dafür muss man kein Prophet sein. Für uns ist das aber auch eine echte Chance. Erstens werden kleinere Vermietungs- und Vermarktungsmeldungen wieder stärker wahrgenommen. Zweitens rückt der „Inhalt des Investments“ in den Vordergrund. Denn mal ehrlich: Wenn eine Büroimmobilie in Zeiten niedriger Investitionssummen verkauft wird, muss sie etwas Besonderes zu bieten haben. Dabei helfen auch unsere zeitlosen Klassiker der Kommunikation. Ihr wisst schon, das Gewerbe wird smart und nachhaltig. Das können und müssen wir auch erzählen.
Übrigens sind das nur einige Beispiele. Da gibt es auch noch viele andere.
There is no glory in…äh Krisenkommunikation
Ganz generell gibt es eigentlich nichts Schönes an Krisenkommunikation. Eine unangenehme Wahrheit tut weh, sei es nun Personalabbau, ein Notverkauf oder auch Zahlungsschwierigkeiten. Noch dazu betrifft eine Krise immer auch uns selbst und natürlich unsere Kolleginnen und Kollegen. Das ist keine angenehme Situation. Doch es ist wichtig, dass wir als Immobilienkommunikatoren gerade in diesem schwierigen Fahrwasser auf unsere eigenen Fähigkeiten vertrauen. Transparenz, Klarheit, stringente Botschaften. Dazu müssen wir Sachverhalte erläutern, Strategien darstellen und vor allem dürfen wir nicht lügen. Wir sollten uns nicht dazu hinreißen lassen, Dinge schön zu färben oder – noch schlimmer – zu verschweigen. Krisenkommunikation ist eine eigene Disziplin, die Champions League unserer Disziplin. Sie kostet uns nach innen und nach außen Kraft. Doch wir können stärker daraus hervorgehen. Wer in Krisenzeiten transparent kommuniziert, profitiert in Konjunkturzeiten von seinem guten Ruf.
Ach ja, bevor ich es vergesse: Die Salami-Taktik hat übrigens noch nie funktioniert, zumindest nicht außerhalb der Hundeschulen. Die Wahrheit kommt sowieso ans Licht, also können wir sie auch direkt präsentieren.