In den vergangenen Jahren haben sich große Teile der Wohnungswirtschaft in eine schier unauflösliche kommunikative Sackgasse hineineskaliert. Aktuell scheint es so, als ob ihr das Gewerbeimmobiliensegment mit wehenden Fahnen hinterhergaloppieren wolle. Es ist allerhöchste Zeit umzusteuern.
Als ich 2015 meinen ersten Job in der Immobilienbranche antrat, war die Mietpreisbremse das Thema der Stunde. Dagegen sprachen natürlich einige Argumente, die sich, grob verkürzt, in drei Kategorien einteilen lassen:
- Ökonomie: Ein derartiger Markteingriff sei bestenfalls unwirksam, eher sogar kontraproduktiv. Das Einzige, was helfe, sei Neubau – Stichwort „bauen, bauen, bauen“.
- Politik: Es handelt sich um Sozialismus, der bekanntermaßen nicht funktioniert und schlimmstenfalls direkt in Unfreiheit münde.
- Recht: Die Maßnahmen seien nicht rechtens und würden spätestens vom Bundesverfassungsgericht abgeräumt werden.
Alle Argumente haben Schwächen, auf die ich hier nicht weiter eingehen will. Fast alle diese Argumente haben aber auch Berechtigung. Darum geht es hier aber ebenfalls nicht. Worum dann?
Die ewig gleichen Argumente verpuffen so sehr, wie sie richtig sind
Seit 2015 sind nun bald sechs Jahre vergangen. Was hat sich seither getan? Der Nachfrageüberhang auf dem Wohnungsmarkt ist weiterhin virulent. Es gab diverse Demonstrationen, kommunale Vorkäufe, Abwendungsvereinbarungen und sogar einen Volksentscheid zur Enteignung von Wohnungsunternehmen in Berlin. Die Mietpreisbremse ist zu einem Mietendeckel mutiert. So umstritten er sein mag, so vorhersehbar sind die Reaktionen: „Bauen, bauen, bauen“ et cetera.
Und die Argumente sind weiterhin inhaltlich richtig. Aktuell häufen sich die Beiträge darüber, dass sich die eigenen Prognosen über die schädlichen Effekte nun als richtig erweisen. Die nächste Evolutionsstufe sind die gut gemeinten Vorstöße, es jetzt noch einmal besser erklären zu wollen, was die Öffentlichkeit zuvor unglücklicherweise sechs Jahre immer und immer wieder lediglich noch nicht richtig verstanden hatte. Aus der eigenen Perspektive sind eben alle anderen die Geisterfahrer – warum erkennen sie es nicht?
Kommunikativ ist es sogar sinnvoll, Botschaften zu wiederholen, um sie in der Wahrnehmung zu festigen. Aber sechs Jahre lang? Und nebenbei: Grenzt es nicht an Schizophrenie darauf zu pochen, dass Politik die wirtschaftliche Logik nicht aushebeln könne, zugleich aber als Wirtschaftsakteur die Augen vor jeglicher politischen Logik zu verschließen? Vielleicht sollten wir uns mal auf ein fälschlicherweise Albert Einstein zugeschriebenes Zitat besinnen: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“
An den relevanten Stellen findet Kommunikation nicht statt
Überhaupt sind Zitate in unserer mittelständisch und unternehmerisch geprägten Branche beliebt. Viele handeln davon, dass man die Ursachen von Fehlern, Misserfolgen und ähnlichem an erster Stelle bei sich selbst suchen und nicht auf andere oder die äußeren Umstände abschieben solle.
Nun habe ich über die vergangenen Jahre viele Vermieter kennengelernt. Das sind durch die Bank anständige Leute, die Mietern sicher nichts Böses wollen. Den „Miethai“ habe ich jedenfalls noch nirgendwo getroffen. Auch der beste, am eloquentesten vorgetragene Meinungskommentar über die Übel der Zentralverwaltungswirtschaft kann die Kommunikation mit dem Mieter und die Verantwortung ihm gegenüber aber nie ersetzen.
Womit wir zum Kern der Problematik kommen: Kommunikation findet an den entscheidenden Stellen nicht statt. Die professionelle Arbeitsteilung der Wohnungswirtschaft hat zu einem Phänomen geführt, das ich als „Verantwortungsdiffusion“ bezeichne. Die Ausgangslage: Der Eigentümer spricht nur mit einem Asset Manager, der wiederum nur mit einem Hausverwalter und der wiederum mit einem Mieter. Das provoziert nicht nur Missverständnisse, sondern vor allem Fehlanreize, weil keiner der Akteure einen übergreifenden Interessensausgleich erreichen kann, wenn der Blick immer nur bis zum nächsten Glied in der Kette reicht.
Das soll kein Plädoyer dafür sein alle Aufgaben wieder zu konsolidieren und sinnvolle Spezialisierungen und Arbeitsteilungen aufzugeben. Jedoch müssen Fehlanreize stärker in den Blick genommen und korrigiert werden (Stichwort „ESG“), damit auch das Mieterinteresse wieder stärker Gehör findet.
Gewerbeimmobilienbranche am Scheideweg
Das ist nur ein Beispiel, das aber letztlich auf die so triviale wie unbequeme Erkenntnis hinausläuft, doch besser bei sich selbst anzufangen, wenn man etwas bewirken will. Sicher ist es angenehmer, sich unter dem Applaus der eigenen Peergroup in reichweitenstarken Medien polittheoretischen Sozialismusdiskussionen hinzugeben – besonders effektiv ist es aber ganz offensichtlich nicht. Und wer wirklich langfristig orientiert wirtschaftet, der dürfte – so meine Hoffnung – an konstruktiven Ansätzen mehr interessiert sein als an den Schulterklopfern der ohnehin Überzeugten.
Für den Gewerbeimmobiliensektor ist die beschriebene Verantwortungsdiffusion noch gefährlicher: Professionalisierung und Arbeitsteilung sind nochmals stärker ausgeprägt. Außerdem ist die Wertschöpfungskette länger – auf der einen Seite vom Mieter weiter zum Nutzer und auf der anderen Seite auch häufiger bis zum Portfolio- oder Investmentmanager. Das Potenzial für entstehende Fehlanreize ist dadurch noch größer als in der Wohnimmobilienbranche.
Nun wollte ich ursprünglich einen ganz anderen, viel optimistischeren Beitrag schreiben: Mit der Corona-Pandemie war der Wohnungsmarkt etwas in den Hintergrund gerückt. Ich hatte sogar gehofft, die Krise könnte sich als die seltene – und von der Immobilienwirtschaft ergriffene – Chance erweisen, sich nun von ihrer generösen Seite zu zeigen, gemeinsam mit ihren Mietern die Krise durchzustehen und den unheilvollen Kreislauf zu durchbrechen. Es gab sie ja, die Momente, als große Bekleidungsunternehmen oder Lebensmitteleinzelhändler ankündigten, ihre Mietzahlungen auszusetzen und die öffentliche Meinung sehr wohl die Position der Eigentümer einnehmen konnte.
Mit wehenden Fahnen in den Stellungskrieg
Diese Chance wurde bislang kommunikativ nicht genutzt. Zwar verhandeln viele Vermieter mit ihren Mietern und versuchen konstruktive Lösungen zu finden. Das Muster einer diffundierenden Verantwortung droht sich aber zu wiederholen und Widerhall in der öffentlichen Debatte zu finden. Die Branche muss sich wenigstens kommunikativ klar positionieren, wenn sie der Wohnungswirtschaft nicht mit wehenden Fahnen in den kommunikativen Stellungskrieg nachfolgen will, der nur Verlierer kennt. Schon aktuell gibt es erste öffentlich vorgetragene Argumentationen, die sich auf juristische Positionen zurückziehen, ohne irgendeine eigene Verantwortung anzuerkennen.
Zu spät ist es noch nicht. Es steht zur Disposition, welchen Weg die Branche wählt. Mir jedenfalls graust es vor dem Tag, an dem die politische Logik zu weiteren Markteingriffen führt, obwohl doch nur Neubau helfe, auf dass wir nicht unter Hammer und Sichel geknechtet werden, bevor das Bundesverfassungsgericht reagieren kann.
Welche Seite dann eher Gehör finden würde: Die gerade umrissene oder die Ihres insolventen Lieblingsrestaurants?