Von Kürzel bis Science-Fiction: 100 Tage in der Immobilienwirtschaft

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Hier kommt unsere Trainee Christina zu Wort

Im April 2021 habe ich es gewagt: den Sprung in die Immobilienwirtschaft. Die ersten Reaktionen in meinem Familien- und Freundeskreis waren verhalten. Ob das thematisch nicht wahnsinnig trocken und öde sei oder ob ich als Frau wirklich in diese Männerdomäne möchte – die Skepsis war groß. 100 Tage später stehe ich hier und bin froh, mich dafür entschieden zu haben.

Zugegeben, ich hatte mir vieles anders vorgestellt. Irgendwie moderner und digitaler. Wir fliegen problemlos auf den Mars und haben Computer entwickelt, die Operationen genauer durchführen können als Ärzt:innen, und dennoch ist es so gut wie unmöglich, digital und ohne Medienbrüche eine Wohnung anzumieten. Wie kommt das? Einige mögen es naiv nennen und es sei ihnen gegönnt, aber ich dachte tatsächlich, die Immobilienwirtschaft sei bereits weiter. Doch wer will schon klagen, die Branche ist auf dem Weg. Zwar langsam, aber es geht vorwärts.

Der Slang der Branche

Apropos vorwärts. Was kann man machen, um einem Thema Nachdruck zu verleihen und es voranzutreiben? Genau, es wiederholen. Ob „Bauen, Bauen, Bauen“ oder „Daten, Daten, Daten“ – die Immobilienwirtschaft scheint ein sehr ausgeprägtes Faible für Alliterationen zu haben. Doch nicht nur das. LEH, AIF, ESG – allein, um sich im Abkürzungsdschungel zurecht zu finden, benötigt es einige Zeit. Und kommt man endlich an den Punkt, einigermaßen durchzublicken, sind da noch all die Buzzwords. Für eine Branche, die sich mit der Finanzierung, dem Bau und dem Betreiben von Immobilien beschäftigt, ist hier sprachlich wirklich einiges geboten. Manche können sogar ganze Sätze ausschließlich aus Buzzwords ohne jegliche Form von Inhalt bilden. Beeindruckend, keine Frage, nur erschließt sich mir der Sinn nicht. Sollte es nicht darum gehen, vom Gegenüber verstanden zu werden, ohne dass am Ende immens viel Interpretationsspielraum bleibt? Eines meiner liebsten Buzzwords in dem Zusammenhang ist übrigens „Mehrwert“. Jeder Text, den ich für einen Kunden schreibe, soll dem Leser einen Mehrwert bringen. Was soll das überhaupt sein, dieser Mehrwert? Erklären konnte mir das bisher noch keiner so recht. Bietet eine Tageszeitung bereits einen Mehrwert, wenn man nach dem Lesen noch Fisch darin einwickeln kann? Vermutlich schon, aber das war höchstwahrscheinlich nicht gemeint. Im Prinzip sagt das Wort gar nichts aus und gibt einem dennoch ein gutes Gefühl. Wunderbar! Oder eben auch nicht. Dennoch kein Grund über dem Sprachfetisch der Branche die Hoffnung zu verlieren. Wir Strategiekollegen sind schon dran, das zu ändern, oder wie man im Marketing sagen würde: Bleiben Sie dran, die Zukunft wird groß!

The future is real

Genauso wunderbar und doch in gleichem Maße abgedroschen sind Wortspiele. Alle belächeln die schlechten Namen von Friseursalons, in denen immer irgendwo ein Haar versteckt ist, aber seien wir mal ganz ehrlich: Die Immobilienwirtschaft ist mit „the future is real“ ganz vorne mit dabei. Ein Fünkchen Wahrheit steckt dennoch drin. Künstliche Intelligenz, Machine Learning, neuronale Netze – PropTechs sprießen überall aus dem Boden und begeistern die Branche mit einem Hauch von Science-Fiction. Ärgerlich nur, dass diese Zukunftstechnologien in anderen Branchen schon vor einigen Jahren Einzug gehalten haben. Für mich war es trotzdem überraschend, was in der Immobilienwirtschaft mit Hilfe von KI und Automatisierung alles möglich ist. Erschreckend war hingegen, woran es immer noch scheitert. Wenn es mit der Digitalisierung in der Branche so schleppend weitergeht, sollte man den Slogan eventuell nochmal überarbeiten.

It is a man’s world

Doch kommen wir weg von der Sprache hin zu Menschen der Branche. Ähm…ich meinte Männern. Klingt erstmal nach einem Klischee, aber Frauen sieht man nur wenige in der Immobilienwirtschaft. Und erst recht nicht in Führungspositionen, wobei hier die Ausnahmen eher die Regel bestätigen. Stattdessen tummeln sich Männer aller Altersklassen, in weißen und hellblauen Hemden mit strenger Frisur, Krawatte und professionellem Lächeln. Auf den ersten Blick einschüchternd. Wenn ich jedoch eines in meinen ersten 100 Tagen gelernt habe, dann, dass selbst der wichtigste Geschäftsführer seinen Schrecken verliert, wenn man nur mit einer gesunden Portion Selbstbewusstsein an die Sache rangeht. Das gilt im Übrigen nicht nur für Geschäftsführer. Etwas überraschend wurde ich beispielsweise im Juni von meinem Kollegen Andy Dietrich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, eine Folge des Haus-Meister-Podcast zu moderieren. Der zu diskutierende Mythos: Die Immobilienwirtschaft besteht nur aus Männern. Ohne großes Zögern habe ich zugesagt und was soll ich sagen, es war großartig. Zusammen mit zwei anderen jungen Berufseinsteigerinnen durfte ich in der sechsten Folge des Haus-Meister-Podcast das Ruder übernehmen und ausgelassen über Frauenquoten, Rollenbilder und die skurrile Vorstellung mancher Männer, LinkedIn sei eine Dating-Plattform, reden. Unser anschließendes, digitales Treffen mit den regulären Haus-Meistern Prof. Dr. Thomas Beyerle, Andreas Schulten und Andy Dietrich hat mir aber vor allem eines gezeigt: Die Immobilienwirtschaft ist auf einem guten Weg Richtung Gleichberechtigung. Nur das Tempo, das darf gerne noch angezogen werden.

Hop oder top?

Mein Fazit zu meinen ersten dreieinhalb Monaten in der Immobilienwirtschaft? An manchen Stellen klebt der Staub von Jahrzehnten und in anderen Ecken wird Zukunft geschrieben. Wenn ich jetzt gefragt werde, ob der Job und Branche wirklich eine gute Wahl waren, kann ich stolz mit Ja antworten. Die Immobilienwirtschaft ist so vielfältig, wie es nur geht, und es wird vermutlich noch Jahre dauern, bis ich alle Facetten kennengelernt habe.

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